Ein Schwabe in Bayern
Ein Schwabe in Bayern

- 14 - Der große Südinseltrip

Am 20. Dezember des letzten Jahrtausends brach ich mit meinem Ex-Mitbewohner aus KN und Russen Piotre, the Wodka-Man gen Süden auf. 

Das erste spannende Erlebnis hatten wir auf der Fähre von Wellington nach Picton, wo die Putzfrauen (oder Neudeutsch: Hygenic Facility Managemant-Assistenz-Fachkräfte) wohl vergessen hatten, die Rückseite des ein oder anderen Sitzes zu putzen, was zur Folge hatte, dass man hin und wieder doch die Spuren der zuvor verzehrten Nachos mit Käse beäugen durfte.

Das zweite aufregende Erlebnis war, dass ich während unseres 3-Tagestrips in einem einsamen Nationalpark (Abel Tasman), wo man stapelweise Buchten nur für sich hat, nachts im Zelt nach einem langen Lauftag von einem furchterregenden Geräusch geweckt wurde, das ich aus dem Fernsehen eindeutig als "Wildschwein" identifizieren konnte. Allerdings konnte ich mich schnell wieder beruhigen, als sich das vermeintliche Wildschwein als Piotres Schnarchen entlarvte. Ich entschlummerte wieder sanft, als ich plötzlich wieder Peters „Schnarchen“ vernahm, diesmal viel lauter als zuvor und zwar direkt neben meinem linken Ohr. Das Gruselige war, dass Peter aber rechts von mir lag. Mutig wie ich war, stellte ich mich der Gefahr, weckte Peter und sagte ihm, er solle jetzt sofort dort raus gehen und das wilde Tier vertreiben. Der Urheber des Lärms entpuppte sich als ein dickes fettes Possum, das uns mit rot leuchtenden Augen frech anglotzte und in unserem Müll wühlte. Es ließ sich auch von einem halbherzigen "buh!" nicht verscheuchen, sondern reagierte lediglich auf Peters direktere Anspringattacke...

Die nächste größere Station war Punakaiki, wo es Pancakerocks zu besichtigen gibt. Das sind wirklich sehr witzige Felsformationen, die aussehen, wie zig übereinander gestapelte Pfannkuchen. Bei Flut wird mit wahnsinnig hohem Druck Meerwasser durch Löcher im porösen Fels gepresst, was in quasi geysirartigem Hochspritzen resultiert. Das Meer dort ist sehr wild mit riesigen Wellen und einer Steilküste. Sehr beeindruckend! Wir beschlossen, den Nachmittag nach dem 3-Tagestrip dort am Strand abzuhängen. Besonders lange hielt es uns dort allerdings nicht, und das kam folgendermaßen: Wir hatten gerade unsere Handtücher lecker ausgebreitet, unsere Kameras bereitgelegt, die Bücher gezückt und uns ausgezogen, als Peter meinte: "Guck mal, die Welle sieht so aus, als würde sie direkt auf uns zukommen!" Es kam wie es kommen musste, und wir konnten gerade noch aufspringen und rennen, was unsere Beine hergaben, und wurden trotzdem noch ein bisschen nass...

Die nächste Station nach den Pfannkuchenfelsen war Fox Glacier. Wie der Name schon sagt handelt es sich dabei um einen recht beeindruckenden Gletscher, der sich pro Tag sage und schreibe bis zu 70 cm weiterbewegt, was mich zu noch immer ungelösten Spekulationen trieb, wo er denn hin will bei dem Tempo...

Man kann an diesem Gletscher allerhand lustige Sachen machen: darauf herumsteigen, darin herumkriechen oder darüber herfliegen. Das Problem ist nur, dass diese Späße nicht gerade besonders preisgünstig sind, was uns dazu bewog, die Zunge nur von außen anzuschauen.

Nicht unweit dieses Gletschers gibt es einen See, vielmehr eine kleine Pfütze namens Lake Matheson. Das Besondere daran ist, dass das Wasser absolut still ist, so dass sich Bergpanorama und der Rest vollkommen perfekt spiegeln. Außer, man geht mit einem kleinen Russen dorthin, der das Foto viel interessanter findet, wenn ein paar Wellen die Spiegelung verhunzen und aus diesem Grunde ein paar Steine ins Wasser schmeißt...

Außer mit Keas hat man in dieser Gegend noch viel Vergnügen mit sogenannten Sandflies. Das sind kleine, als Fruchtfliegen getarnte Bestien, die jedes Stück nackte Haut bedecken und herzhaft zubeißen, was in der Tat schmerzhaft ist und üble, wochenlang juckende Hübbel hinterlassen (Hübbel heißen auf Englisch "bumps").

Als nächstes starteten wir durch nach Queenstown, dem Ort der 1000 Funsportarten wie Bunji-Jumping, Jetboat-Fahren, Wildwasser-Kajaken,

Fallschirmspringen etc. Dort werden auch ganze "Fun"(?)pakete angeboten, bei denen man an den Zähnen aufgehängt aus einem Flugzeug bunjijumpen kann, dann per Fallschirm auf einem galoppierenden Pferd landet, das einen bockenderweise auf Wasserski befördert. Kleiner Scherz. So ähnlich ging's aber zu. Ich enthielt mich aber dieses "Funs", da ich noch immer vom letzten "great walk" ein krachendes Knie zu kurieren hatte, um für die nächste Tour gerüstet zu sein...

Erwähnenswert wäre vielleicht noch das Auswahlkriterium für die Backpackers, in denen wir logierten: Haben sie einen Spa-Pool, in dem man sich stundenlang kochen kann? Unser Rekord auf der Südinsel waren 3 1/2 Stunden! Mit der Zeit wird man da schon zum Spa-Pool Kenner und entwickelt so seine Marotten. Ich kann nur sagen: ein guter Spa ist wie ein guter Champagner: er muss genau richtig temperiert sein und genau richtig blubbern....

Nach einem sehr geruhsamen Millenniumssilvester in einer zwar nicht wie erwartet verlassenen, jedoch sehr moderat bevölkerten Berghütte begann für mich der größte Trip des Südinselabenteuers: der Routeburn-Track! Hierbei handelt es sich um einen 3 Tages Trip über einen Pass, bei dem man von Ehrfurcht einflößendem Bergpanorama, dichtem Busch, kilometerweiter Aussicht über betörend blaue Bergseen alles geboten bekommt. Irgendwie hatte ich wohl wieder den Wettergott erzürnt (sicher nicht, weil ich nicht alles aufgegessen hatte) und er ließ mich am ersten Tag vollschiffen ohne Ende. Der Regen war in der Tat so stark, dass sich der ohnehin schon steile Aufstieg im unwegsamen Gelände als Wasserfall tarnte, in dem kein Schuh trocken blieb. Das freundliche Wetter lud verständlicherweise nicht gerade zum gemütlichen Spazieren ein - und so kam es, dass ich mich schon nach 2 1/2 in der ersten Hütte wiederfand, die normalerweise erst nach 4 Stunden erreicht wird. Bis auf das letzte meinen Körper bedeckende Stück Stoff durchweicht, ausgepumpt und froh, endlich ein Dach über dem Haupte zu haben, ereilte mich der nächste Schock: die Hütte war voll!!! Nix Bett, nix bleiben, nix trocken! Dank der (verständlichen) Popularität des Routeburn-Tracks wird nämlich immer nur eine fixe Anzahl Leute laufengelassen, damit die Kapazität der Hütten ausreicht. Leider, leider hatte das Flittchen aus dem Department of Conservation Büro einen kleinen Buchungsfehler gemacht und das Datum der 2 Hütten vertauscht. Ich sah mich schon die nächsten 5 Stunden durch strömenden Regen zur nächsten Hütte traben, als plötzlich ein Licht durch die Wolken trat und der Hütten-Warden herabgeschwebt kam. Naja, ganz so dramatisch war es nicht, aber gerührt von meinem Schicksal bot er mir und dem Russen an, in seiner privaten Hütte zu übernachten...

Zurück in der Haupthütte tummelte sich das Wandervolk um das knisternde Feuer und braute seine Süppchen. Zu meinem Leidwesen tummelte sich an meiner Seite ein recht penetranter Israeli, der zwar attraktiv, aber hohl im Hirnkastl war und mir die Ohren mit gähnend interessanten Geschichten ablaberte - als ob ich an diesem Tag nicht schon genug Leid erfahren hätte...dafür wurde er von mir nur noch verächtlich "der Araber" genannt (natürlich nur in seiner Abwesenheit).

Plötzlich fing eine Chinesin an zu quietschen, weil sie draußen einen (höchst raren) Kiwi (den Vogel) zu sehen meinte. Sofort befand sich die gesamte Hütte mit Kameras bewaffnet in der Eiseskälte draußen und knipste den vermeintlichen Kiwi. Der Russe und ich konnten uns jedoch nicht aufraffen, sondern lachten uns ins Fäustchen...es war in der Tat kein Kiwi, sondern ein vom Regen entstellter dummer Kea, der frech vor einem "don't feed the kea" Schild posierte und sichtlich seine Popularität genoss...

Mit der Dämmerung zog es Temperatur-mäßig noch weiter an –immerhin befand man sich schon auf 1200 Meter)- und ich stieg des Abends mit 2 Hosen, 4 Oberteilen und 3 Paar Socken in den Schlafsack.

Am nächsten Morgen erwachte ich im Schnee! Nicht buchstäblich, natürlich...

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© Isabella Paul-Jordanov