07.07.18
An Pfingsten reisten wir dieses Jahr mal wieder mit dem Zug nach Venedig. Allerdings war dieses Mal alles ganz anders, da ja zum ersten Mal zu Viert! Bei der Buchung im Februar überwog klar die verklärt-romantische Vorstellung von Vaporettofahrten in den Sonnenuntergang, das gemütliche Schlendern in den kleinen Gässchen Venedigs und das Schlemmen in unserer Lieblingsosteria auf Murano. Was nicht so präsent war, aber mit Näherrücken des Abreisetermins immer bedrohlicher erschien war die Frage, wie wir um Himmels Willen das ganze Gepäck transportieren sollten. Wir sind 4 Personen: 2 Erwachsene, ein 8-jähriger Steppke und ein Säugling von damals 4 Monaten. Keine Großfamilie eigentlich, aber wenn man bedenkt, dass alleine H einen Riesenkoffer mit Fläschchen, Mikrowellensterilisator, Milchpulvervorrat, Windelvorrat, Klamotten, Schlafsäcken und Spielzeug füllt, kann man sich leicht ausrechnen, dass ein Paar Hände fehlen würden, um das Geraffel der restlichen Familienmitglieder zu schleppen. Da es auch unvorstellbar war, Ths Klamotten, Malsachen, Spiele und Kuscheltiere einzukürzen und damit ein weiterer Koffer gefüllt war, blieb es natürlich nur an Mama und Papa, sich auf das Allernötigste zu reduzieren und sich einen Koffer zu teilen. So war das Verhältnis aus Koffern und Personen mit tragefähigen Händen zumindest gewahrt, wenn auch die Koffergröße umgekehrt proportional zur Größe der Familienmitglieder war. Blöderweise mussten wir aber auch Hs Kinderwagen mitschleppen, so dass der Papa dann 2 Koffer ziehen musste, Th mit einem Koffer beladen war und Mama den Kinderwagen schob und über Kreuz mit der Wickeltasche und ihrer Handtasche behängt war. Aber: wir haben es geschafft. Die sterilisierten Fläschchen und vorportionierten Milchdöschen reichten genau bis zur Ankunft am Ferienhaus und H hielt auch bis kurz vor knapp ohne sich groß zu beschweren durch.
Uns war vermutlich wegen Babyamnesie gar nicht so recht bewusst gewesen, was für ein Juwel an Ferienhaus, nein Villa!, wir uns da gebucht hatten. Ein auf einer kleinen Gemüseinsel gelegenes fantastisches Architektenhaus mit 4 Dachterassen auf verschiedenen Höhen mitten in einem 5000 qm großen eigenen Park mit persönlichem Steg, Blick auf Murano und die Hauptinsel und 3 Minuten Gehzeit zum Vaporetto. Ein absoluter Traum. Die Terrasse wurde beschattet von einer riesigen, mit Glyzinien bewachsenen Pergola, ein alter Ginkobaum spendete Schatten auf der Wiese und eine Schaukel war im Kirschbaum aufgehängt. Wir verspürten angesichts der Idylle und Ruhe inmitten der eigentlich trubeligen Lagune wenig Lust, unser Domizil zu verlassen, so dass wir uns gerade mal zu einem faulen Ausflug in unser Lieblingsrestaurant auf Murano hinreißen ließen und die restliche Woche ebenso faul in unserem Reich verbrachten. Nur einen Abstecher ins „echte“ Venedig machten wir: da wir es bisher bei unseren anderen Venedigreisen noch nie geschafft hatten, San Marco von innen zu besichtigen, dachten wir dass es jetzt mit einem 4 Monate alten Säugling eine besonders gute Idee wäre (jaja, ich schüttele im Nachhinein auch meinen Kopf). Wir buchten uns also für einen der folgenden Tage Tickets, bei denen man nicht anstehen muss und harrten froh des Erlebnisses. Mama I hatte an dem Tag morgens noch etwas in Venedig zu erledigen, also verabredete sich die Familie um 11 Uhr an der Fondamenta Nuove, um dann gemeinsam nach San Marco zu schlendern, wo um 12 Uhr die Führung stattfinden sollte. Papa T hatte an alles für das Baby gedacht: Wickelsachen, heißes und kaltes vorgekochtes Wasser, vorportionierte Milch – aber leider, leider hatte er die Fläschchen vergessen. Das war etwas doof, da die Zeit nicht reichte, um noch mal ins Ferienhaus zu fahren. Also kauften wir uns in der Apotheke sündhaft teure Babyfläschchen und hofften inständig, dass H die anderen Sauger akzeptieren und uns nicht San Marco zusammenbrüllen würde. Dummerweise mussten wir die neuen Flaschen auch noch sterilisieren, bevor wir sie benutzen konnten. Was also tun? Zum Glück gab es in der Apotheke auch Mikrowellen-Sterilisierbeutel. Fehlte also nur noch die Mikrowelle. Und die Zeit tickte. Um 12 sollten wir in San Marco sein und H optimalerweise im Milchkoma. Wo also sterilisieren? In einem Cafe, dachten wir, würde es sicher eine Mikrowelle geben. Also schnell ins nächstgelegene Cafe. Wir wollten nicht unhöflich sein und um einen Service bitten, ohne etwas dafür zu geben. Also bestellten wir uns Cappucinos und für Th eine heiße Schoki und fragten dann freundlich nach einer Mikrowelle. Es gab aber keine. Saumäßig blöd, wirklich, zumal wir in der eh schon knappen Zeit jetzt auch noch unsere Heißgetränke konsumieren mussten. Beim nächsten Cafe fragten wir dann vorsichtshalber erst nach einer Mikrowelle. Es gab wieder keine! (Eigentlich ja ein gutes Zeichen für die venezianische Gastronomie). Mittlerweile wurde H schon schlecht gelaunt, da der Hunger drückte. Also marschierte T mit H im Kinderwagen im Stechschritt durch die Gassen, um sie einzuschläfern. I wurde immer nervöser und klapperte ein Etablissement nach dem nächsten nach einer Mikrowelle ab, großer Bruder Th patrouillierte derweil draußen, um Papa und H im Falle des Erfolges schnell wieder auftreiben zu können. Endlich, endlich wurde I fündig, und zwar in einer Weinhandlung. Wozu man hier eine, beziehungsweise sogar 2 Mikrowellen benötigte, war I nicht klar, war aber auch egal. Schnell wurden die Fläschchen sterilisiert, T und H aufgetrieben, eine Milch gemischt und die Familie düste im Sauseschritt nach San Marco, wo wir im wahrsten Sinne des Wortes um 5 vor 12 eintrafen. Während wir die letzten 5 Minuten auf den Einlass warteten, fütterte I H im Stehen, ganz ohne Saugverwirrung wegen der unbekannten Fläschchen oder einfach mit Scheißegalhaltung auf Babyseite, da der Hunger verdammt groß war. Kurz schaute sich H dann noch die Goldpracht in San Marco an, bevor sie dann friedlich für den Rest der Führung einschlummerte. Unglaublich. Nach all dem Stress im Vorfeld hatten wir also eine entspannte Führung durch die wohl meistbesuchte Kirche der Welt.