Nun, man sagt ja den Briten nicht unbedingt nach, dass sie das attraktivste aller Menschengeschlechter seien (im Gegenteil zu z.B. Italienern, Südamerikanern und dergleichen). Es ist mir wirklich und aus tiefstem Herzen ein Anliegen, mit ungerechtfertigten Vorurteilen aufzuräumen – doch beim besten Willen: hier habe ich nichts entgegenzusetzen. Ich verstehe nicht, warum alle Männer irgendwie Ähnlichkeit mit Prince Charles haben und alle Frauen direkte Nachfahren von Camilla Parker Bowles zu sein scheinen. Ich verstehe es wirklich nicht. Mittlerweile sind meine Augen ein wenig adaptiert, doch ich erinnere mich, wie ich beim ersten Mal in der Uni dachte, ich sei aus Versehen in einer Castingshow für eine dieser Quatsch-Sendungen mit dem Motto „nur innere Werte zählen“ oder „mach mehr aus deinem Typ“ gelandet. Sehr erfrischend an diesem Mut zur Unästhetik ist allerdings, dass sich kein Mensch über sein Äußeres Gedanken zu machen scheint. Das wiederum lässt die Leute unglaublich entspannt und freundlich sein. Selbstbewusstseinsprobleme scheint es hier wirklich nicht zu geben.
Interessant ist auch, dass die Engländer neben ihrer Unfähigkeit / ihrer nicht vorhandenen Bereitschaft Regen wahrzunehmen auch keine Kälterezeptoren zu besitzen scheinen. Nicht nur mir fällt das auf, sondern auch Bärbel und Peter haben mir unabhängig voneinander und ohne dass ich etwas angedeutet hätte nach ihrem ersten Tag alleine in der Stadt mit vor Schreck geweiteten Augen erzählt, sie hätten diverse junge Frauen gesehen, die bei Minusgraden in Miniröcken daherspazieren. Bevorzugt auch bauchfrei und vor allem in knappsten Sandalen ohne Socken. Männer laufen dementsprechend in T-shirts durch die Gegend, während ich in Wintermantel, bis zur Nase in einem Wollschal eingewickelt, mit 2 Paar Socken, Mütze und Handschuhen unterwegs bin.
Dieser Sandalentick ist wirklich auch eine extra-Beschreibung wert. Es gibt hier – ja, wie soll man das nennen – so etwas wie Ballerina-Schühchen. Diese kann man in diversen Ausführungen finden und sie werden zu allem, aber auch wirklich allem getragen. Ob Minirock, Hosenanzug oder Jogginghose – die Ballerinas müssen sein. Ich werde mir auch welche kaufen müssen. Und zwar welche mit so Glitzersteinen besetzte. Die sehen zu Jeans bestimmt cool aus…
Damals in Neuseeland fiel mir schon auf, dass es Unterschiede in der „Belegte Brötchen“ Kultur gibt. In Deutschland wird ein Brötchen – gerne auch ein Vollkornbrötchen – in der Hälfte durchgeschnitten und mit dünnen Scheiben Wurst oder Käse belegt. Vielleicht bekommt man noch eine Scheibe Tomate oder ein Salatblatt zwischen die Hälften geklemmt, aber damit hat es sich dann auch. In England funktioniert es folgendermaßen: Man bestellt an einer Theke ein „Sandwich to go“. Daraufhin wird ein Baguettebrötchen – Entschuldigung, ich muss eigentlich sagen: ein Baguette - längs in der Mitte aufgeschlitzt und dann von Frauen mit Gummihandschuhen gespreizt und auf Bestellung mit enormen Bergen von Lemon Chicken, Thunfisch mit Gurke, Lachs mit Zitrone, Hühnchen mit Speck, Eiersalat, Italienischem Gemüse, Hund mit Katze etc. buchstäblich gestopft. Das arme Baguette gewinnt dabei das Doppelte seiner ursprünglichen Breite und könnte im Prinzip ganz Zantralafrika satt machen. Ach, ich vergaß, dass man natürlich auch alle erdenklichen Varianten an Chutney und Mayonaisen dazugeschmiert haben kann. Manchmal, wenn ich nicht gefrühstückt habe und auch nicht vorhabe, zu Abend zu essen, kaufe ich mir so ein Teil. Heute zum Beispiel. Ich bin noch immer satt (es ist 22:26 Uhr).