Ein Schwabe in Bayern
Ein Schwabe in Bayern

Bayrisches

Alles Bayern 3, oder was? - 14.9.14

Was mir als Nicht-Bayer ziemlich befremdlich vorkommt und bisher in noch keinem anderen Bundesland in gleicher Weise auffiel, ist die permanente Erwähnung von „Bayern“ überall. Am Schlimmsten ist es im Radio. Bayerns bester Wetterbericht. Bayerns bester Verkehrsservice. Bayerns bester Stauzeitmelder. Heißt das jetzt, dass all diese wunderbaren Dienstleitungen nirgends so gut sind wie in Bayern oder dass sie innerhalb Bayerns auf dem entsprechenden Sender die besten sind? Da jeder Sender die Superlative „Bayerns beste...“ für sich beansprucht, lässt eher an die erste Lesart glauben. Es gibt nur ein Problem. „Bayerns Lieblingsmix im Radio“ mit den „besten Hits der 80er, 90er und aktuelle Hits“, das jeden verdammten Morgen zwischen halb 7 und 7 seit mindestens einem halben Jahr immer dasselbe spielt (James Blunt und seine blöden postcards from my heart; dieses elende Lied mit der großen Jacke, die sich das Softei von Revolverheld mit seiner ziemlich ätzenden Freundin, die Lippen blau vom Rotwein hat teilt; die Toten Hosen mit ihrer zufällig im WM Jahr erschienenen Hymne „Tage wie diesen“ und natürlich noch das obligatorische Stück von AC/DC  aus den 80ern) ist zumindest nicht mein Lieblingsmix. Gut, ich bin kein Bayer, aber ich wohne nunmal hier. Ich empfinde es als unangenehm, wenn mir jemand sagt, dass etwas der Lieblingsmix des Bundeslandes sei, in dem ich wohne. Ich fühle mich sofort ausgeschlossen, weil alle anderen das Lieblingsmix mögen, nur ich nicht. Dummerweise lässt sich bei den Radios in unserem Haus empfangsbedingt nur zwischen Bayern 3 und Antenne Bayern wechseln, sprich, die klassische Regen / Traufe Situation. Das ist wirklich sehr bedauerlich. Ich frage mich aber ernsthaft, ob das Radio Brainwashing wirklich funktioniert. Ich glaube ich mache mal eine Umfrage, welche 3 Lieder das aktuelle Lieblingsmix meiner bayrischen Mitmenschen ausmachen...

 

Auch im Kühlregal im Supermarkt bayert es vor sich hin. Sogar ich glaube mittlerweile, dass die berchtesgadener Bergbauernbutter und –milch die beste ist. Und das, obwohl sie almwiesig grün verpackt ist und nicht blau-weiß wie die Konkurrenz von Weihenstephan. Die bayrische Superlativwerbung scheint auch bei meinem Gatten zu funktionieren, der mittlerweile am liebsten Paulaner Weißbier trinkt und nicht mehr wie früher Krombacher Pils.

 

Trotz dieser ersten zarten Zeichen der langsamen Integration nach 4 Jahren diesseits des Weißwurstäquators finde ich es hier immernoch befremdlich wie bisher sonst nirgends, dass man sich als nicht-Bayer einfach nicht zugehörig fühlt. Zugroast halt. Woher kommt dieses Gefühl? Vielleicht sind es Kleinigkeiten wie diese:

 

Neulich war am Ortseingang unseres Dorfes auf der Werbungsholztafel in schwarzen Lettern aufgeklebt „Oldtimertreff am 26.“ Das war’s. Kein genauer Ort, Keine Uhrzeit. Es war klar – für die, die Bescheid wissen sollten, war dies Information genug. Für alle anderen? Hä?

 

Vielleicht liegt es auch daran, dass sich alle Bayern beim geringsten Anlass in Tracht schmeißen. Ich besitze keine Tracht und werde auch keine besitzen, da ich mir darin albern vorkäme und nicht nur das. Ich weiß zwar sehr wohl, dass das Trachtenwesen von Bayern liebevoll gemeinte Brauchtumspflege und schlicht Gaudi ist. Dennoch konnte ich bisher mein tief-sitztendes Misstrauen gegenüber jeglichem zu stark ausgeprägten (Lokal)patriotismus nicht überwinden. Trägt man also als eine der wenigen Personen bei irgendwelchen Festen keine Tracht, ist man sofort wieder Outsider und sticht nicht nur durch fehlende Mundart, sondern auch optisch aus der Menge. Unangenehm das.

 

Falls ich überhaupt in die Situation komme, zu einem Trüppchen bayrisch sprechender Menschen zu stoßen, verstummt das Gespräch entweder sofort oder wird auf bemühtem Hochdeutsch weitergeführt. Mir scheint, dass die Bayern hier in unserem Ort sich mit nicht-Bayern genauso unsicher fühlen wie umgekehrt.

 

Unangenehm zugroast fühle ich mich auch, wenn wir unser Stammlokal vor Ort betreten. Der Grund ist, dass wir am langen, vor der Eingangstüre im Biergarten platzierten Stammtisch vorbeiflanieren und uns begutachten lassen müssen. Der Stammtisch ist IMMER besetzt. Ich weiß nicht, wie das gehen kann, aber es ist so. Egal, wann wir kommen, die Bänke sind von rotbackigen, rotnasigen Männern besetzt, die mit dem Traktor angereist sind. Wir gehen nun seit nunmehr 4 Jahren einmal die Woche in besagtes Lokal. Dennoch sind wir keine „Stamm“gäste. Zumindest nicht auf Stammtischniveau. Wir sind immernoch die Neigeschmeckten.

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© Isabella Paul-Jordanov